Beschäftigung mit Quellen zum Kreis Heydekrug für das 19. Jh. und die Zeit bis 1919 (Abtrennung des Gebietes von Deutschland)

Heydekrug Memelland
based on OpenStreetMap

Heydekrug war von 1815-1919 ein Landkreis in Preußen, in der Provinz Ostpreußen mit einer Fläche von 803,32 km2, in dem 42.143 Einwohner (1898) lebten. Die größten Ortschaften des Kreises waren Heydekrug und Ruß.

Heydekrug ist seit 1511 durch eine Urkunde des Deutschordenskomtur von Memel belegt. Innerhalb der Verwaltungsreform Friedrich Wilhelm I wurde die Stadt zum Sitz eines Domänenamtes. Seit 1815 war hier der Sitz des Landratsamtes und so auch der wirtschaftliche Mittelpunkt des Kreises. Der Marktflecken an der Sziesze konnte im 19.Jh. Ziegeleien und eine Dampfmühle aufweisen. Erwähnenswert waren der Fisch- und Schweinehandel. Die Einwohnerzahl wuchs von 348 (1871) auf 415 (1898). Heute gehört der Ort zu Litauen und heißt Ðilutë.

Ruß ist ein Dorf am gleichnamigen nördlichen Mündungsarm der Memel. Um 1366 wurde für das Südufer des Flusses ein Deutschordenshaus erwähnt. Seit 1498 ist auch der Krug des Ortes belegt. In dem Dorf wurden Lachsfischerei, Holzhandel und Schiffahrt betrieben. Die Einwohnerzahl wuchs von 1952 (1871) auf 2120 (1898). Heute liegt der Ort an der Grenze zwischen Litauen ud dem Kaliningrader Gebiet und trägt den Namen Rusnë.

Über die Situation der Juden in Ruß wird in den Lebenserinnerungen >> des Landarztes Arthur Kittel berichtet.

Auf der Basis von Unterlagen zur Synagogengemeinde, Angaben zur Zählung jüdischer Schulkinder und Dokumenten zur Zu-und Abwanderung entsteht eine Datenbasis für den Landkreis mittels der Aussagen zur Ansiedlung, Familiengröße, Migration etc. getroffen werden können. (Da bereits eine Datenbasis für den Landkreis Fischhausen – einen Bereich südwestlich von Königsberg – erstellt wurde, kann dann ein Vergleich innerhalb der Region angestellt werden, wobei u.a. der Einfluß der Grenze zu diskutieren ist.)

Das Geflecht der Beziehungen zwischen den Juden zu beiden Seiten der Grenze ist bisher wenig erforscht worden. Rege Kontakte gab es auf alle Fälle, in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen. Dazu zählen auch die zahlreichen Aufenthalte jüdischer Kaufleute in Tilsit. Eine weitere Fragestellung zielt auf die grenzüberschreitende Migration – sowohl die legale Zuwanderung wie auch die unerlaubten Aufenthalte – und die Restriktionen der preußischen Behörden darauf.

Für den Kreis Heydekrug können alle Zuwanderungen für den Zeitraum 1886-1902 benannt werden sowie die Reaktion der preußischen Behörden, die entweder einen Ausweisungsbefehl erliessen oder befristete Aufenthaltsgenehmigungen erteilten, wobei auch Beschränkungen auferlegt wurden. Ebenso ist der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vermerkt.

Heydekrug Russ
Kursiu mare 1995

Es fällt auf, daß es sich bei den Zuwanderern vorrangig um Juden handelt, die aus der Zemaitija, dem benachbarten Westlitauen stammen – also eine Migration mit kurzen Distanzen. (Darüber hinaus gab es gleichfalls andere Zuwanderergruppen im gleichen Zeitraum. Deren Relation zu den jüdischen Migranten sollte gleichfalls erörtert werden.)

Zweifellos hatten diese Wanderungsbewegungen auch Einfluß auf familiäre Beziehungen. Für den Kreis Heydekrug liegen Dokumente für alle jüdischen Eheschließungen zwischen 1848  – 1872 vor, aus denen nicht nur hervorgeht, daß etwa 50% der dort ansässigen jüdischen Bürger in jenem Zeitraum Ehen mit Frauen eingingen, die keine preußische Staatsangehörigkeit besaßen (sie stammten u.a. aus Lettland, Litauen und Polen). Die Aufgebotsakten, Leumundsscheine und Schriftstücke geben einen guten Einblick, wieviel Papiere und bürokratischer Aufwand für das Schließen einer jüdischen Ehe in Preußen nötig waren.

Sembritzki, History of the District of Heydekrug, Memel 1920

Synagogengemeinden existierten in den Kreisgrenzen, in denen es zumeist nur eine Synagoge und einen Rabbiner gab. Die Entfernungen waren weit und so mangelte es auch an Religionsunterricht für die jüdischen Kinder. In einigen Fällen ist belegt, daß die Kinder Unterricht von einem Rabbiner aus Litauen unterrichtet wurden, in einem anderen Fall luden 50 arme jüdische Familien im Kreis Ragnit einen Melamed aus Kaunas ein, der jedoch bald von den reichsdeutschen Behörden ausgewiesen wurde. Die Gemeindegröße schwankten, da es immer wieder Zuzug von jenseits der Grenze und Abwanderung in das Landesinnere gab.

Heydekrug war ein typischer Landkreis mit vielen kleinen Dörfern. Aussagen zu Wohnorten der Juden stehen auf der Seite Statistik.

Für die Gemeinden Heydekrug und Ruß liegen ebenfalls Heberollen vor. Mit Hilfe dieser Quelle lassen sich Aussagen über die wirtschaftliche Situation der Gemeindeglieder treffen.

 

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