Mit Eindrücken eines Memelland-Besuchs im April 2022
Dieser Ort hat einige Besonderheiten für Ostpreussen und für Juden in Ostpreussen: Hier gab es einen sehr hohen Anteil von Juden an der Gesamtbevölkerung, ähnlich wie bei den Städten außerhalb Ostpreussens (z.B. im Nachbarort Jurbarkas hinter der ehem. Grenze an der Memel), wobei man in Ostpreussen nicht von der Organisationsform eines „Schtetl“ sprechen kann. Schmalleningken war der Grenzort an der südöstlichen Grenze des Memellandes zwischen dem Deutschen und dem Russischem Reich bis zum 1. Weltkrieg. Danach wurde der Landstrich in der Zwischenkriegszeit litauisch. Heute gehört er zur Republik Litauen und der Fluß Memel bildet die Grenze zum russischen Kaliningrader Gebiet.
Der Jude Pincas Isakowitz aus dem nahegelegenen Jurbarkas (Litauen) erhielt aufgrund eines Patents des Grafen zu Dohna 1708 das Recht für sich und seine Erben einen Krug , Speicher, ein Brauhaus und andere nötige Gebäude zu bauen und auch einen Garten anzulegen. Es war auf lange Zeit das einzige derartige Patent des preußischen Königs für einen Juden an dieser Grenze und zeigt, welche Wichtigkeit der Handelsweg an der Memel besaß. Zweihundertdreißig Jahre lang betrieben Nachfahren dieses Gründers unter dem Namen Berlowitz den Gasthof und gründeten eine jüdische Gemeinde, in der sie sehr aktiv waren. Zahlreiche Nachkommen der großen Familie gingen in andere Städte und machten dort Karriere.
Die Stadt hatte wegen der Zolleinnahmen und dem regen Handel mit seinen Hotels, Gaststätten und Geschäften schon fast ein städtisches Aussehen. Der Memelstrom war schon weit vor der Erfindung der Eisenbahn die wichtige Transport- und Handelsader für Holz- und Flachsimporte aus dem Inneren des Kontinents zur Ostsee (über die Häfen von Memel oder Königsberg).
Bis heute kann man den sehr großen Winterhafen bewundern, der den Schiffen in der Winterzeit vor den Eismassen Schutz bot. Praktischerweise gab es ab 1902 einen Kleinbahnanschluss zur Hauptstrecke Tilsit-Memel.
Schon sehr früh gab es hier eine Synagoge an der Hauptstrasse, noch bevor Kirchen gebaut wurden. Wir konnten den Standort mit Hilfe von Fotos ausmachen.
(1) Vor 1914, Central Hotel neben der Synagoge an der Hauptstraße (2) 1. Weltkrieg um 1915, Kriegszerstörung des Central Hotels durch russische Truppen (3) Nach dem 1. Weltkrieg, Neubau Litauische Schule neben der Synagoge (4) heutige Galerie und Kulturzentrum neben dem leeren Standort der 1939 von den Deutschen niedergebrannten Synagoge.
Der Jüdische Friedhof ist nicht weit vom Bahnhof weg, er ist gekennzeichnet, es gibt einen Torbogen und einen Gedenkstein.