Zum 500-jährigen Jubiläum des Herzogtums Preußen und der litauisch-preußischen Grenzregion – fand am 18. September 2025 eine Konferenz in Vilkaviškis statt.

Lecture in Vilkaviskis SEP18 2015

Hier folgt die Zusammenfassung des Vortrags von Michael Leiserowitz vom Verein „Juden in Ostpreussen“

Die Rolle der Juden an der Ostpreußíschen Grenze in Momentaufnahmen

Die Entwicklung der jüdischen Ansiedlung beiderseits der Grenze verlief sehr unterschiedlich – im 15. Jh lehnte der Ordensstaat den Zuzug von Juden ab, während Juden schon an Ende des 14. Jh vom Litauischen Großfürsten eingeladen wurden. Aber für eine dünn besiedelte Grenzregion hatte diese Tatsache damals noch keine besondere Bedeutung.

Ím 16. Jh wandelt sich der Ordensstaat zum Herzogtum Preußen, aber das Verhältnis zu Juden war weiterhin restriktiv. Die Gründung einer Universität und der Handel machten Königsberg für einzelne Juden attraktiv. Auf der litauischen Seite der Grenze erfolgten geförderte Gründungen von Städten, in denen sich auch Juden niederließen. In Königsberg durften Juden um 1700 einen Friedhof anlegen. Auf beiden Seiten der Grenze nahm die Zahl der Juden zu, die Ungleichheit der Verteilung blieb aber weiterhin bestehen. Die Grenzüberquerung an sich war zu der Zeit noch eher ein Privileg für besser gestellte Geschäftsleute.

Zu Anfang des 19. Jh. veränderten Kriege und Aufstände die politischen Verhältnisse mehrmals. Auf der nun russisch besetzten Seite gab es eine ganze Reihe von Shtetel mit hohem jüdischen Bevölkerungsanteil. In Ostpreußen siedelten sich nach dem Judenedikt von 1812 besonders aus Westpreußen kommende Juden an. Das Passieren der Grenze blieb während aller politischen Änderungen weitgehend möglich, nun begannen auch minderbemittelte Juden die Grenze zu überqueren. Handelnde Juden im grenznahen Verkehr wurden zu einer Alltagserscheinung. Besonders die Einwohner der Grenzorte gingen auf Reisen. Man kann davon ausgehen, dass gerade sie auch viel nötige Landes- und Sprachkenntnis über Ostpreußen verbreiteten.

Zur Jahrhundertwende hin waren schließlich zwei Imperien unmittelbare Nachbarn – das Deutsche Reich und das Russische Zarenreich. Technische Neuerungen wie die Einführung der Eisenbahn bewirkten grundlegende Änderungen in der Grenzregion. So konzentrierten sich Geschehen und alle Reisenden auf die Grenzbahnhöfe. Die getakteten Reiseverbindungen benötigten eine rasche und gleichzeitige Abfertigung größerer Gruppen aus den Bereichen Tourismus, Geschäftsreisen und internationale Auswanderung aus dem Osten in Richtung der Hafenstädte im Westen. Für alle Reisezwecke entwickelte sich in der Grenzregion eine unterstützende Infrastruktur, bei der die Mehrsprachigkeit eine Selbstverständlichkeit war. Über die meisten Zeiträume gab es auch erleichterte Einreisebedingungen für Reisende innerhalb der 30 km Grenzzone, sodass auch Berufs- und Bildungspendelverkehr möglich wurde und sich allgemein der Wohlstand aller Bevölkerungsgruppen mehrte. Davon profitierte gerade die jüdische Bevölkerung sehr stark.

Bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges ließ sich die Grenzregion als eine Schnittstelle zwischen zwei Imperien verstehen, an der die Juden durch ihre Tätigkeit und Unternehmen einen großen Anteil hatten.

Beweggründe für die Konferenz am 18. September 2025

Im Kreis Vilkaviškis im Südwesten Litauens ist man sich der historischen Bedeutung der Nähe zu der Region Ostpreußens bewusst. Diese Nachbarschaft war wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung, aber auch für den kulturellen Einfluss. Die Reformation, die Aufklärung, die Entstehung moderner Bewegungen, wie des nationalen Erwachen Litauens, der Entstehung der Arbeiterbewegung, und vielfältiger Bildungsmöglichkeiten sind nur einige Beispiele. Der Verlauf der Grenze ist  500 Jahren durch ein Friedensabkommen bis zur heutigen Zeit weitgehend stabil – es änderte sich nur von Zeit zu Zeit die Staatlichkeit auf beiden Seiten. Die Veranstalter der Konferenz bezeichneten sich selbst als „Hüter der Erinnerung an die lange Nachbarschaft zu (Ost)Preußen“.

Später sollen die Beiträge der Konferenz als Buch veröffentlicht werden.

Veranstalter der Konferenz: Tourismus- und Wirtschaftsinformationszentrum Vilkaviškis, Akademie
für öffentliche Sicherheit der Mykolas-Romeris-Universität.