3 Tage Exkursion zur Jüdischen Geschichte in Ostpreußens Grenzgebieten mit Litauen. Teil 2

Teil 2 29. Juli 2025 Nationalpark Žemaitija – Gedenkstätte für das Land der Litvaks – Plateliai – Rund um den Plateliai See – Museum des Kalten Krieges – Plunge

Leonidas Donskis (1962 – 2016) Litauisch-jüdischer Philosoph, Politikwissenschaftler, Ideenhistoriker und Sozialanalytiker.

Das Ziel dieser Exkursion war eine Ferienregion in einer hügeligen abgelegenen Landschaft der Zemaitija (Nordwest-Litauen). Wir stießen auf unterschiedlichste Attraktionen. Auch in diesen Teil Litauens gab es viele zum Teil sehr bekannte und auch weniger kannte jüdische Shtetl. Mit Eugenius Bunka, dem Sohn des letzten Juden von Plunge, Jakovas Bunka, trafen wir uns in einem Landschaftspark mit Skulpturen nördlich von Plateliai. Dort entsteht ein begehbares Museum unter freien Himmel zum Gedenken an die vielen vernichteten Shtetl Litauens. Der Park ist ein Ausdruck, ein Versuch, den im Jahre 1941 plötzlichen Verlust einer ganzen Bevölkerungsgruppe, einer seit Jahrhunderten bestehenden und mit dem Land verbundenen Kultur mit Hilfe von Kunst sichtbar zu machen. Geworben wird um Mittel, um für Shtetl je einen schmiedeeisernen Apfelbaum aufzustellen und an diesen im Gedenken an Personen Äpfel anzubringen. Große Informationstafeln liefern den Besuchern Zahlen und Hintergrundwissen über das Judentum im Land der sogenannten Litvaks.

Denkmal an das Land der Litwaks, Bild von Facebook Bunka Fund

Der „Jakovas Bunka Charity and Sponsorship Fund“ ist eine Stiftung, die landesweit Initiativen und Gedenkstätten unterstützt. Sie stellt z.B. Gedenksteine an Synagogenstandorten auf. Jakovas Bunka hatte sich entschieden, nach dem Krieg als einziger Hinterbliebener einer Gemeinde Litauen nicht zu verlassen. Er wurde in der Nachkriegszeit ein sehr bekannter Folklore-Holzschnitzer und hat mit seinen Aktionen und der Stiftung das Gedenken an die verlorenen Jüdischen Gemeinden zu seiner Lebensaufgabe gemacht. An der Stelle der Massenerschießung und des Massengrabes von Plateliai konnten wir eine seiner großen Holzschnitzereien sehen, die von Jakovas zu diesem Zweck geschaffen wurden. Der Verein „Juden in Ostpreussen“ überlegt nach diesem Besuch, ob sie für einen Baum für die Sichtbarmachung der Gemeinde Vistytis / Wystiten an der ostpreußischen Grenze Mittel einwerben.

Skulptur auf den Hügel der Massenerschießung in Plateliai
Jakovas Bunka

Viele Ferienorte mit Anlegestellen für Boote und Restaurants sind rund um den großen Plateliai See zu finden. Etwas Besonderes ist ein Besuch des „Museum des Kalten Krieges“ – denn hier auf der Anhöhe im Bereich der Sowjetunion befand sich eine der Abschussplätze für Atomraketen, die unmittelbar auf westdeutsche Städte gerichtet waren und sich in ständiger Einsatzbereitschaft befanden. Das Museum bringt sehr eindrücklich mit einer Dauerausstellung, Filmen, Audioguides und Originalanlagen die Erinnerung an die Geschehnisse an diese Zeit zurück (das hängt natürlich vom Alter der Besucher ab).

Litauischer Sommer
Ein Blick in den Abgrund, Raketen-Bunker
Museum des Kalten Krieges

Plunge: Hier wurde 1941 die Hälfte der Stadtbevölkerung, die Juden, ermordet. In den achtziger Jahren begann Jakov Bunka die Gedenkstätte im Dorf Kausenai zu errichten. Über mehreren Massengräbern wurde ein Monument mit Namenslisten errichtet, gebaut aus 1.800 Ziegeln der demolierten Synagoge von Plunge für die 1.800 hier erschossenen und begrabenen Menschen.

Im Ort Plunge zeigte uns Eugenius Skulpturen und Beschriftungen zum Gedenken an alle Vorkriegsbewohner und erläuterte uns die damit verbundenen schwierigen Genehmigungsprozesse.

Nach dieser Exkursion gab es viele aufwühlende Eindrücke zu verarbeiten – die Erinnerungsarbeit eines Einzelnen Hinterbliebenen – die grausamen Geschichten um die Erschießungen, die reale Furcht vor der atomaren Bedrohung in der Nachkriegszeit – berührende und auch recht gegenwärtige Fragen.

Wir bedanken uns für diesen Einblick in die wunderschöne Region mit der Hoffnung, dass die Projekte eine Zukunft haben. Gerne geben wir zu den Projekten und den Orten auf Anfrage noch weitere Auskünfte.

Reisende: Ralph Salinger, aus Israel, betreibt das Portal Jewish Vilkaviskis und koordiniert seit Jahrzehnten das Andenken an die große jüdische Gemeinde. Die Stadt Vilkaviskis liegt mitten im Gebiet der Suduva, zwischen der Grenze zu Polen und dem Fluß Memel, an der Straße, die zum nahen Ostpreußen führt (heute die kleinste Russische Föderation Kaliningrad Oblast). Irma Mauriene, aus Vilkaviskis, sie ist eine Kulturaktivistin und Spezialistin für die Geschichte der Juden des Ortes. Michael Leiserowitz, lebt in Berlin, Warschau und Klaipeda, setzt sich mit dem Verein „Juden in Ostpreussen“ für die Erinnerung an deren Geschichte ein.

Irma, Ralph und Eugenius
Michael L. (Autor)

Es gibt drei Grenzregionen zu Ostpreußen in Litauen

Map of border region between East Prussia and Lithuania

1) Das Gebiet, das kurz vor der Grenze mit Polen anfängt und bis zur Memel reicht – bekannt als Suduva oder Suvalkija

2) Die ehemalige Grenzregion, die von der Memel bis fast nach Lettland reicht (Der Westen der Region Zemaitija oder Samogitien).

Regionen 1) und 2) hatten Orte mit einem sehr großen jüdischen Bevölkerungsanteil dicht and der Grenze zu Ostpreußen (Schtetl).

3) Region Memelland oder Klein-Litauen – der Teil Ostpreußens nördlich der Memel, der nach dem 1. Weltkrieg unter litauischer Verwaltung kam und bis 1938 den Status der Zweisprachigkeit hatte. Zentrum ist die Hafenstadt Klaipeda (auf Deutsch: Memel), die in der Stadt vielfältige jüdische Gemeinde hatte. Auf die Dörfer verteilten sich, wie überall in Ostpreußen, eher einzelne jüdische Geschäfte bzw. Gasthäuser.